Um es vorweg zu nehmen: Linkshänder zu sein, ist im Tischtennis durchaus ein Vorteil.
Nur 10-11 % der Bevölkerung sind Linkshänder. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels sind jedoch über 25 % der 100 besten Spieler der ITTF-Rangliste der Männer Linkshänder.
Wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken, werden wir feststellen, dass dies schon immer so war. Es gab schon immer einen höheren Prozentsatz an Weltklassespielern, die Linkshänder sind, als der weltweite Prozentsatz an Linkshändern.
Wir erklären die 4 Hauptgründe, warum Linkshänder im Tischtennis einen Vorteil haben.
1) Vertrautheit
Der Hauptvorteil von Linkshändern im Tischtennis ist, dass sie sich beim Spiel gegen Rechtshänder wohl fühlen.
Für uns Rechtshänder bedeutet das Spielen gegen einen Linkshänder, dass wir unsere Spielweise ändern müssen.
Die meisten Spieler müssen in den Modus „gegen einen Linkshänder spielen“ wechseln. Wir müssen über viele Dinge zweimal nachdenken.
Ich schupfe zum Beispiel oft mit meiner Rückhand diagonal, also auf die Rückhand eines Rechtshänders. Dadurch wird mein Gegner gezwungen, auch mit der Rückhand zurückzuspielen oder umzuspringen.
Wenn ich gegen einen Linkshänder diagonal schupfe, spiele ich ihm einen langen Rückhandball direkt auf seine Vorhand, die für die meisten Spieler die viel stärkere Seite ist.
Das Gleiche passiert beim Blocken. Rechtshänder haben die Angewohnheit, mit der Rückhand diagonal zu blocken, aber das würde einem Linkshänder eine leichte Chance geben, mit der Vorhand anzugreifen.
Linkshänder sind es gewohnt, gegen Rechtshänder zu spielen, da sie ständig gegen uns antreten. Wenn sie auf einen Rechtshänder treffen, wissen sie genau, was sie tun müssen.
Rechtshänder hingegen bekommen nur sehr wenig Übung gegen Linkshänder. Wenn wir gegen Linkshänder spielen, können wir oft nur versuchen, spontan zu improvisieren.
Hinzu kommt, dass wir Rechtshänder uns auch an den Stil des Linkshänders gewöhnen müssen. Wir müssen nicht nur zweimal über unsere Platzierung nachdenken, sondern auch über die Stärken und Schwächen unseres Gegners.
Einmal erzählte ich einem Vereinskameraden, dass er als Linkshänder einen großen Vorteil habe, und er fragte mich, wie es sich anfühle, als Rechtshänder gegen einen Linkshänder zu spielen.
Ich fragte ihn: Wie fühlt es sich für dich an, gegen einen Linkshänder zu spielen? Er antwortete, dass es sich sehr seltsam anfühle.
Du kannst auch andere Linkshänder fragen, und selbst die werden dir sagen, dass es sich seltsam anfühlt, gegen einen anderen Linkshänder zu spielen.
Für Linkshänder ist das Spiel gegen einen anderen Linkshänder dasselbe wie ein Match, bei dem sich zwei Rechtshänder gegenüberstehen: Die meisten Schläge werden diagonal gespielt, Vorhand auf Vorhand und Rückhand auf Rückhand.
Für uns Rechtshänder scheint das ganz natürlich zu sein: Spielt man diagonal, spielt der Gegner häufig denselben Schlag, den man gerade gespielt hat.
Linkshänder haben sich jedoch angewöhnt, mit einer Rückhand diagonal auf die Vorhand des Gegners zu spielen.
Die Spielstruktur, die für Rechtshänder natürlich ist, ist für Linkshänder seltsam, und umgekehrt.
In 90 % der Spiele werden Linkshänder die Oberhand haben, da sie wissen, wie sie gegen Rechtshänder spielen müssen, und Rechtshänder wissen das nicht.
In den verbleibenden 10 % werden sie es seltsam finden, gegen einen Linkshänder zu spielen, aber der andere Linkshänder wird es auch schwer haben.
2) Taktik
Da Linkshänder ständig gegen Rechtshänder spielen, bereiten sie ihre Taktik auf Rechtshänder vor, während Rechtshänder ihre Taktik auch auf Rechtshänder vorbereiten.
Linkshänder werden mühelos aufschlagen, rückschlagen und Spielzüge vorbereiten, während Rechtshänder mit weniger Erfahrung und taktischem Wissen in das Spiel gehen werden.
Linkshänder wissen besser als Rechtshänder, wie man einen Ballwechsel mit der Rückhand parallel spielt, und sie wissen auch, wie sie ihre weiten Vorhandschläge genau platzieren können.
Sie müssen nicht einmal zweimal darüber nachdenken, es ist für sie ganz natürlich, weil sie das ständig tun.
Umgekehrt fühlt es sich für uns Rechtshänder sehr unnatürlich an, einen Rückhand-Rückhand-Rallye parallel zu spielen.
Meistens spielen Rechtshänder eine Rückhand diagonal, ohne überhaupt darüber nachzudenken, und manchmal entscheiden sie sich auch für einen Wechsel und spielen parallel.
Gegen Linkshänder müssen wir jedoch mit der gegenteiligen Mentalität spielen, da wir parallel spielen müssen, und wenn wir unsere Gegner überraschen wollen, müssen wir diagonal spielen.
Oft spielt der Rechtshänder seine Rückhand im Übermaß diagonal, weil wir automatisch dazu neigen, diagonal zu spielen, was dem Linkshänder viele einfache Angriffsmöglichkeiten mit der Vorhand bietet.
3) Spin
Ein weiterer Grund, warum Linkshänder einen Vorteil gegenüber Rechtshändern haben, ist der Spin.
Linkshänder erzeugen beim Spielen von Vorhand und Rückhand den entgegengesetzten Seitschnitt wie Rechtshänder.
Wenn Linkshänder einen Side-Topspin mit der Vorhand diagonal spielen, springt der Ball in Richtung der Rückhand des Rechtshänders ab, was einen möglichen Gegenangriff verhindert.
Die Aufschläge eines Linkshänders sind auch viel schwieriger zu erwidern.
Sie schlagen nicht nur aus der entgegengesetzten Ecke auf, sondern haben auch den entgegengesetzten Spin.
Ein Pendulum-Aufschlag eines Linkshänders hat den gleichen Spin wie ein umgekehrter Reverse-Pendulum-Aufschlag eines Rechtshänders und andersherum.
Es ist ziemlich schwierig, sich an diesen Effekt zu gewöhnen, da der Ball immer den entgegengesetzten Seitschnitt hat, gegen den Rechtshänder trainiert sind.
Es ist eine gute Idee für Linkshänder, schwere Seitschnitt-Aufschläge mit Unter- oder Überschnitt zu üben und auf beide Ecken oder den Ellbogen zu zielen.
Diese Aufschläge sind für einen Rechtshänder sehr schwer zu erwidern.
4) Winkel
Etwas, an das sich Rechtshänder nur schwer gewöhnen können, sind die verschiedenen Winkel, in denen der Ball zu ihnen kommt.
Das liegt daran, dass die meisten Spieler ihre Rückhandschläge vor den Körper schlagen und mit den Vorhandschlägen etwas länger warten (fast in einer Linie mit ihrem Körper).
Die überwiegende Mehrheit der Spieler, sowohl Rechts- als auch Linkshänder, spielen ihre Rückhandschläge in der aufsteigenden Phase (Blocks) oder auf dem höchsten Punkt oder sogar absteigenden Phase (Topspins).
Auf der Vorhandseite wird in der Regel versucht, einen Tospspin zu spielen, und die meisten Spieler treffen den Ball bei ihren Vorhandtopspins am höchsten Punkt seiner Flugbahn oder einen Bruchteil nach dem Pik des Abpralls.
Rückhandschläge werden in der Regel etwas früher und mit weniger Kraft gespielt, während Vorhandschläge in der Regel etwas später und mit mehr Kraft gespielt werden.
Wenn man gegen einen Linkshänder spielt, ist das Timing dasselbe, aber an den entgegengesetzten Ecken, als wir es gewohnt sind.
Manchmal spiele ich gegen einen Linkshänder einen diagonalen Vorhand-Topspin und wundere mich, warum der Ball so schnell zurückkommt. Das liegt daran, dass mein Gegner den Ball früh mit einem Rückhandblock erwischt hat.
Ein anderer Winkel, der die meisten Rechtshänder wirklich stört, ist, wenn Linkshänder auf unseren Ellbogen spielen.
Wenn ein Rechtshänder einen Rückhandblock zu unserem Ellenbogen spielt, kommt der Ball von unserer rechten Seite zu unserer linken Seite und landet auf der Höhe unseres Ellenbogen.
Wenn jedoch ein Linkshänder einen Rückhandblock zu unserem Ellenbogen spielt, kommt der Ball von unserer linken Seite und bewegt sich ein wenig nach rechts.
Ich finde es sehr schwierig, mit Rückhandblöcken auf meinen Ellenbogen umzugehen, da der Ball schneller zurückkommt, als ich erwarte, und es ist viel schwieriger zu erkennen, wann der Ball zu meinem Ellenbogen geht, wenn er von links kommt.
Die letzte Sache, die ich beim Spielen gegen Linkshänder ungewohnt finde, ist, wenn sie aus der Rückhand umspringen und mit der Vorhand angreifen.
Oftmals spielen sie dann einen diagonalen Vorhand Topspin. Das ist ein tödlicher Schlag gegen Rechtshänder, denn er zielt auf unsere weite Vorhand, und es ist sehr schwer für uns, rechtzeitig dorthin zu kommen.
Wenn du als Linkshänder gegen einen Rechtshänder umspringst und diagonal spielst, hast du gute Chancen, den Punkt zu gewinnen.
Als Rechtshänder wird der Ball in einem anderen Winkel und mit einer anderen Geschwindigkeit kommen, als du es gewohnt bist. Achte also beim Aufwärmen und während des Spiels darauf, welche Anpassungen du vornehmen musst, um diese Möglichkeiten des Punktgewinns zu unterbinden.
Fazit
Es ist klar, dass es im Tischtennis eine Überrepräsentation von Linkshändern gibt. Aber warum?
Einige Wissenschaftler glauben, dass Linkshänder eine vergrößerte rechte Gehirnhälfte haben, die ihnen ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen verleiht. Die meisten folgen jedoch der Theorie der Ungewohntheit, die besagt, dass Linkshänder einen taktischen Vorteil haben und Winkel und Richtungen nutzen können, an die ihre Gegner weniger gewöhnt sind.
Bei einem Tischtennismatch zwischen einem Rechtshänder und einem Linkshänder fühlt sich der Linkshänder wie zu Hause. Er verbringt die meiste Zeit damit, gegen Rechtshänder zu spielen. Der Rechtshänder ist derjenige, der mit etwas Ungewohntem zu kämpfen hat.
Nicht zuletzt darf man den möglichen psychologischen Vorteil nicht vergessen. Wenn sich ein Rechtshänder einbildet, dass er „immer gegen Linkshänder zu kämpfen hat“, dann kann die selbsterfüllende Prophezeiung richtig in Gang kommen. Ich habe noch nie gehört, dass ein Rechtshänder gesagt hätte: „Ich habe Probleme gegen Rechtshänder“.
Ich würde gerne deine Meinung zu Linkshändern hören. Glaubst du, dass sie im Tischtennis einen Vorteil haben? Ist er physisch, taktisch oder psychologisch? Bist du selber ein Linkshänder? Hinterlasse gerne einen Kommentar!
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