Stärken ausbauen oder Schwächen beseitigen? (TdW#8)

Nach längerer Zeit Pause aus persönlichen Gründen kommt heute mal wieder ein neuer Tipp der Woche. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Trainingstipp.

Wenn du zu einer Trainingseinheit gehst, hast du wahrscheinlich eine Reihe von Dingen, an denen du arbeiten möchtest. Das können Aufschlag, Rückschlag, Angriff des 3. Balls, Angriff des 5. Balls, Topspins auf Unterschnitt, Topspins auf Überschnitt, Flicks, Schüsse, Schlagkombinationen, Taktiken oder etwas ganz anderes sein. Einige dieser Dinge wirst bereits ziemlich gut beherrschen, andere nicht ganz so gut. Du musst also eine wichtige Entscheidung treffen: Arbeitest du vorrangig an deinen Stärken oder an deinen Schwächen?

Spieler lassen sich oft in eine von zwei Kategorien einteilen:

Der Schwächenvermeider

Dies ist ein Spieler, der es bewusst oder unbewusst vermeidet, an einer Schwäche in seinem Spiel zu arbeiten. Das kann ein Mangel an Selbstvertrauen sein: „Ich bin einfach nicht sehr gut darin“, eine unterentwickelte Technik: „Ich weiß nicht, wie man das macht“ oder der Widerwille, etwas zu ändern: „Mein Spiel ist gut so, wie es ist“. Was auch immer der Grund ist, das Ergebnis ist immer dasselbe – die Schwäche wird nie beseitigt.

Ich muss zugeben, dass ich mich eher in diese Kategorie einordnen würde. Meine größte Schwäche? Meine Rückhand. Als ich das Spielen lernte, war meine Rückhand bei weitem meine schwächste Seite. Ich konnte einen Rückhandschupf gut spielen, aber Rückhandtopspins waren einfach zu inkonsistent. Wenn ich also trainieren wollte, zog ich es vor, an meiner Vorhand zu arbeiten. Das war meine stärkere Seite, und ich konnte in Vorhand-Ballwechseln mit viel stärkeren Spielern mithalten. Und ehrlich gesagt macht es auch mehr Spaß, etwas zu üben, was man gut kann.

Rückhandschläge zu üben, hat einfach keinen Spaß gemacht. Aber das bedeutete natürlich auch, dass sich meine Rückhand nicht verbesserte. Ich versuchte, meine Schwäche zu kaschieren, indem ich vor allem mit der Vorhand spielte. Gegen schwächere Gegner konnte ich damit durchkommen, aber stärkere Gegner konnten meine Schwäche leicht erkennen und sie ausnutzen. Dass ich nicht an einer eklatanten Schwäche arbeitete, hinderte mich daran, auf einem höheren Niveau zu spielen.

Letztendlich habe ich mich vor einigen Jahren dazu entschieden, auf kurze Noppen auf der Rückhand umzusteigen. Seitdem läuft es besser. Dennoch könnte ich noch deutlich mehr an meinen Schwächen arbeiten.

Der Schwächensüchtige

Das andere Extrem ist der Spieler, der auf seine Schwächen fixiert ist. Er konzentriert sich oft auf das, was im Spiel nicht gut gelaufen ist, und nutzt die folgenden Trainingseinheiten, um an den vermeintlichen Schwächen zu arbeiten. Bei diesem Ansatz bleibt dem Spieler nicht immer viel Zeit, um an seinen Stärken zu arbeiten. Durch den Mangel an Übung stagnieren die vermeintlich stärkeren Schläge und können sich sogar verschlechtern, was den Spieler etwas frustriert zurücklässt.

Auch in diese Kategorie kann ich einige Spieler zuordnen. Viele Spieler haben auf der Rückhand stärkere Defizite im Vergleich zur Vorhand. Um die Rückhand zu verbessern, beschlossen einige Spieler, ihr gesamtes Training auf Rückhandschläge, Topspins und Flicks zu konzentrieren. Dadurch wurden sie zwar auf der Rückhand besser. Aber die ganze Konzentration auf die Rückhand bedeutete, dass sie nicht viel Zeit für das trainieren der (stärkeren) Vorhand verwendeten und teilweise begannen, mehr Vorhandfehler zu machen als sonst.

Der Mittelweg

Wie bei so vielen Dingen im Leben gibt es auch hier einen Mittelweg, der oft die beste Option ist. Als Spieler und Trainer plädiere ich dafür, ausreichend Zeit darauf zu verwenden, sowohl an den eigenen Stärken als auch an den eigenen Schwächen zu arbeiten.

Es gibt keine goldene Regel dafür, wie viel Zeit man aufwenden sollte, z. B. 50 % für Schwächen und 50 % für Stärken. Die Zeit, die man für beide Bereiche aufwendet, ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Wenn eine Schwäche dazu führt, dass du zu viele Punkte verlierst, musst du möglicherweise mehr Zeit für die Arbeit an dieser Schwäche aufwenden.

Aber du solltest auch noch Zeit für die Arbeit an deinen Stärken einplanen. Aus meiner Sicht sollte jeder Spieler mindestens eine Stärke haben, mit denen er gegen die meisten Gegner regelmäßig und konstant Punkte erzielen kann. Stärken können Aufschläge, Aufschlag-Dritte-Ball-Kombinationen, Topspin-Variationen, das Blockspiel oder viele weitere Taktiken oder Techniken sein.

Wenn du hingegen keine größere Schwäche hast (was bei den allermeisten Spielern aber nicht der Fall ist), kannst du mehr Zeit auf deine Stärken verwenden, aber dennoch Zeit für die Bereiche deines Spiels einplanen, die nicht ganz so stark sind.

Ist es mir als Spieler inzwischen gelungen, dieses Gleichgewicht zu finden? Nein, noch nicht. Ich verbringe immer noch zu viel Zeit damit, an meinen Stärken zu arbeiten. Wenn ich eine Chance haben will, mit stärkeren Gegnern zu konkurrieren, sollte ich mich noch mehr auf meine Schwächen fokussieren.

Johannes spielt seit über 15 Jahren Tischtennis, zuerst draußen auf der Steinplatte und seitdem er 12 Jahre alt ist im Verein SC Siemensstadt in Berlin. Mittlerweile ist er dort nicht nur Spieler, sondern seit einigen Jahren auch Trainer und Jugendwart und konnte in diesen Funktionen wertvolle Erfahrungen sammeln, welche er über TT-Test mit euch teilen möchte.

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